„FeelErleben“ in Dresden

26.10.2021 CJD Sachsen « zur Übersicht

Ich bin ein bisschen aufgeregt! Gespannt warte ich auf dem Bahnhof und blicke auf den einfahrenden Zug - gleich öffnen sich die Türen und ich lerne die Menschen kennen, mit denen ich in den nächsten vier Tagen Dresden erkunde. Ich bin Referentin für Unternehmenskommunikation im CJD und jetzt für eine Zeit Reisebegleitung für erwachsene Menschen mit Behinderungserfahrungen. Ein Bereich mit dem ich zuvor noch nie Berührungspunkte hatte. Die offenen ambulanten Angebote im CJD Erfurt organisieren im Projekt „FeelErleben“ Urlaubsfahrten in Deutschland und ins Ausland, um Menschen unabhängig von ihrem Unterstützungsbedarf beim Erleben ihrer individuellen Reisewünsche zu begleiten. Vom 14. bis 18. Oktober ging eine Reise in die sächsische Landeshauptstadt.

Michael, Katrin, Benjamin, Thomas und Thomas, Schulli, Frank, Jenny, Stefanie und Ute gehen mit Nils, Enrico, Marlen und mir auf Tour. Wir sehen u.a. die bekannten Sehenswürdigkeiten wie den Zwinger und die Semperoper, hören gebannt in der Frauenkirche dem Üben einer Organistin zu, lassen uns Nudeln auf einer Achterbahn servieren (rollercoaster-dresden.de), genießen köstliche Trüffelschokolade, fahren mit der Parkeisenbahn durch den herbstlichen Großen Garten und erleben unterschiedlichste Ausstellungen in den Museen der Stadt.

Wie ist es eigentlich für jemanden zu reisen, der nicht so einfach nach dem richtigen Weg in einer fremden Stadt fragen kann oder für den Treppen herausfordernd, manchmal unüberwindbar sind? Wie kommunizieren wir miteinander, denn einige Reisende sind schwer zu verstehen? Das sind Fragen, die mich vor der Reise beschäftigen. Nach einem gemeinsamen ersten Tag ist für mich klar: (fast) alles ist möglich - nur viel langsamer.

Ich darf auf dieser Reise Benjamin intensiver begleiten und bin echt gerührt wie viel Vertrauen er mir sofort entgegenbringt, obwohl wir uns nicht kennen und nicht einfach miteinander sprechen können, um uns kennenzulernen. Nach kurzer Zeit verstehen wir uns ohne Worte und stellen uns aufeinander ein. Bei mir untergehakt laufen wir gemächlich durch die Stadt, bei jeder Gelegenheit hält er mich an und nimmt für seine Familie ein Andenken aus Dresden mit. Seine Vorfreude auf gemeinsame Restaurantbesuche ist legendär und ich spüre, dass ihm das Unterwegssein richtig gut gefällt.

Zeit hat auf dieser Reise eine andere Bedeutung. Ich nehme meine Wahlheimatstadt ganz anders wahr als sonst. Nach einigen für mich ungewohnt langen Verweilphasen mal hier mal dort, genieße ich die Ruhe, die dadurch für alle entsteht und sehe Stadtansichten, die ich so noch nicht kannte. Neu ist für mich, dass ich auf Hindernisse stoße, die mir vorher natürlich nicht auffielen. Richtig ärgerlich finde ich, dass wir das weltberühmte Dresdner Terrassenufer nicht erkunden konnten, weil es leider nicht barrierefrei ist. Niemand lässt sich davon jedoch die Laune verderben und wir erleben als Reiseteam unvergessliche, gemeinsame Augenblicke. Einige unserer Gruppe gehen mit und ohne Begleitung auch eigene Wege, besuchen die Glashütter Uhrenwerke, schweifen durch das nächtliche Neustädter Szeneviertel oder bummeln durch die große Einkaufsmeile der Stadt. Besonders gut an der Reiseorganisation gefällt mir, dass, anders als üblich, keine Pläne feststehen, alle gemeinsam abstimmen, was wir unternehmen und jeder einzelne selbst äußert, worauf er Lust hat und was er erleben möchte.

Als ich am Ende der Reise alle noch bis in den Zug nach Erfurt bringe, bin ich wehmütig. Die gemeinsame Zeit war kurz, intensiv und erlebnisreich. Ich habe in den letzten Tagen viele sehr unterschiedliche Persönlichkeiten kennengelernt, einige stressige Situationen in öffentlichen Verkehrsmitteln gemeistert, neue Erfahrungen gesammelt und eine Reise mit richtig coolen Leuten unternommen, deren Art zu reisen für mich eine echte Bereicherung war. Danke dafür!

Habt ihr auch Lust ehrenamtlich Menschen auf ihrer Reise zu begleiten, über Euch selbst etwas zu lernen, Neuem zu begegnen und mal ganz anders (mit)zu reisen? Meldet Euch bei Marlen Reinhold, die gern alle weiteren Fragen beantwortet.

Marlen Reinhold, Leiterin Ambulante Dienste, fon: 0361 / 60 276 319, fax: 0361 / 65 886 688, mobil: 0151 / 40 639 665, marlen.reinhold@cjd.de, www.cjd-erfurt.de

Text: Corinna Thamm