Hinter den Kulissen - Nachgefragt bei Danny Schneider, Praxisberater an der Oberschule Schwarzenberg

14.06.2021 CJD Sachsen « zur Übersicht

Durch das große Universum der Berufswelt lotsen Praxisberater*innen Schüler*innen der siebenten und achten Klassen der Oberschulen in Sachsen. In Schwarzenberg berät Danny Schneider nicht nur für eine passende Berufswahl, sondern bietet den Jugendlichen verschiedene Angebote an, damit sie eigene Fähigkeiten und Interessen besser einschätzen und sich über die Inhalte und die Anforderungen einzelner Berufe bewusster werden können. Warum sich im Schulsystem etwas ändern sollte und was sich an einem typischen Tag eines/einer Praxisberater*in so ereignet, hat er in einem Interview erzählt.

Danny, mit welchen 5 Schlagwörtern würdest Du Deinen Job beschreiben?

  • sehr individuell, also sehr personenzentriert
  • emphatisch
  • herausfordernd
  • gewinnbringend
  • einfach toll (wenn gerade mal keine Pandemie herrscht)

Welche Eigenschaften sind wichtig für Deine tägliche Arbeit?

Wie ich bei der vorherigen Frage bereits erwähnt habe, sind Empathie und Fingerspitzengefühl unerlässlich. Jedes Kind bringt andere Voraussetzungen mit, hat andere Neigungen, Stärken und nicht zuletzt ganz eigene Träume. Insofern ist man immer herausgefordert, die Perspektive zu wechseln. Es ist oft nicht ganz einfach den Jungs und Mädchen klar zu machen, dass sie ungeachtet ihrer Herkunft oder ihrer Persönlichkeit, die Möglichkeit haben, ihre Zukunft aktiv zu gestalten und die Weichen für ein glückliches Leben selbst zu stellen. Das eine Kind neigt dazu, sich gegen jeden Widerstand aufzulehnen und durchzusetzen, ohne dabei Rücksicht auf andere zu nehmen. Ein anderes Kind hat kaum Selbstvertrauen und findet keinen Anschluss im Klassenverband, kann aber echt gut mit Zahlen umgehen oder ist wahnsinnig kreativ. Die Palette der jungen Persönlichkeiten ist unglaublich groß. Genau hier anzusetzen und mit den Schülern*innen herauszuarbeiten, wer sie sind, was sie ausmacht und wie sie die eigenen Fähigkeiten nutzen können, um später im Berufsleben auch ihren Traumjob zu finden, ist die Herausforderung, der wir uns täglich stellen müssen.

Wie sieht so ein typischer Arbeitstag von Dir aus?

Einen typischen Arbeitstag gibt es eigentlich nicht. Jeder Tag verläuft anders, es gibt kaum repetitive Arbeitsprozesse. Vielmehr muss man flexibel sein, aber das ist in der Arbeit mit Menschen denke ich häufig der Fall. In der Regel komme ich morgens kurz vor Unterrichtsbeginn, checke meine Mails, schaue kurz im Sekretariat vorbei und frage, ob es Neuigkeiten oder Post gibt. Um 07.20 Uhr beginnt dann bei uns der Unterricht. Da klopfen mitunter auch schon mal die ersten Schüler*innen an meine Tür und haben Fragen. Fragen zu einem Praktikum, einem Unternehmen oder wollen einfach nur mitteilen, was es in der Klasse Neues gibt.

Sobald der Unterricht begonnen hat, wird es leise im Schulhaus und ich beginne mir die Akten der Schüler*innen zur Hand zu nehmen, die ich für heute zu einem Entwicklungsgespräch eingeladen habe. Es kann sein, dass ich wichtige Informationen bei Eltern einholen muss oder mit einem/r Klassenleiter*in mögliche Gründe für die Entwicklungstendenz der letzten Wochen bespreche, um gut auf das Schülergespräch vorbereitet zu sein. Häufig sind Unternehmen zu kontaktieren, gemeinsame Veranstaltungen zu planen oder meine beiden Flachbildschirme im Schulhaus mit Informationen zu Berufsmessen, Praktikumsmöglichkeiten und anderen wertvollen Tipps zum Thema berufliche Orientierung zu „füttern“.

Ist die Zeit der Potenzialanalysen in Klassenstufe 7 abgeschlossen, beginnen die Wochen der Elterngespräche. In diesen Wochen erhält ein/eine Praxisberater*in mitunter völlig neue Informationen zu einem Kind. Informationen, die durchaus auch ein konträres Bild zum betreffenden Kind im Schulalltag zeichnen. So durfte ich beispielsweise erfahren, dass ein Schüler, der in der Schule als vorlaut und rücksichtslos gilt, sich zu Hause rührend und verantwortungsvoll um seine kranke Mutter kümmert. Ein junges Mädchen wiederum, das sich im Schulalltag sehr ruhig und verschlossen zeigt, ist in Ihrer Freizeit unglaublich kreativ und hat das Potenzial später vielleicht eine Kunsthochschule zu besuchen.

Ich könnte jetzt eine Vielzahl weiterer Erlebnisse aufzählen, die mir in den letzten beiden Jahren an meinen „Arbeitstagen“ begegnet sind. Seit Beginn der Pandemie ist allerdings alles anders und das Lachen fröhlicher Kinder im Schulhaus war verstummt. Die Kinder halten sich vorbildlich an die Regeln, die jetzt gelten. Meine Arbeit wechselte von einem gesprächsintensiven und abwechslungsreichen Alltag in einen Alltag, der sich meist auf Onlinetätigkeiten beschränkt. Die Neugier vieler Jungs und Mädchen auf die Berufswelt ist zurückgegangen und nach einem anstrengenden und mitunter sehr schwer zu bewältigenden Schultag, der sich auf selbstständiges Lernen mit Onlineangeboten beschränkt, haben viele Schüler*innen kaum noch Lust, etwas über Berufsmöglichkeiten und Ausbildungsangebote zu erfahren. Die Telefongespräche beschränken sich meist auf Telefonate mit besorgten Eltern. Angebote, die über die Lernplattform „Lernsax“ zur Verfügung gestellt werden, finden meist nur wenig Beachtung und erzielen im Vergleich zu den Pflichtaufgaben der Schule nicht die gewünschte Wirkung. Dennoch blieben wir Praxisberater*innen dran, gaben nicht auf und standen täglich für unsere Jungs und Mädchen bereit, um die verbliebenen Möglichkeiten der beruflichen Orientierung zu nutzen.

Eines ist allerdings allen klar, gerade die berufliche Orientierung braucht das Erleben und Erfahren. Nur wer in einem Unternehmen war, gesehen, gefühlt, gehört, gerochen und vielleicht auch geschmeckt hat, kann einschätzen, welcher Beruf zu ihm passt.

Was macht Deinen Beruf zum Traumjob?

Ganz klar die Arbeit mit den Jungs und Mädchen an meiner Schule. Weit vor den organisatorischen Tätigkeiten oder der Netzwerkarbeit, liegt die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern. Neulich kam ein Schüler, der in diesem Jahr die Schule verlässt zu mir und bedankte sich mit einem Lächeln für die Hilfe. Wie so häufig im Leben sorgen die zwischenmenschlichen Dinge für die meiste Freude.

Was ist für dich das Besondere an Deinem Beruf?

Es geht nicht um schneller, höher, weiter. Es geht um Menschen.

Das CJD Sachsen Praxisberater*innenteam ist zahlenmäßig das größte Team in Sachsen. Welchen Anspruch hat das Team an sich selbst?

Wir wollen verdeutlichen, dass jedes Kind ganz eigene Stärken und Fähigkeiten hat, die einzigartig sind. Wir wollen dabei helfen, dass junge Menschen ein gesundes Selbstbild entwickeln. Ein Selbstbild, das nicht auf Schulnoten reduziert oder durch den gesellschaftlichen Leistungsdruck bestimmt wird.

Als größtes Team in Sachsen möchten wir natürlich Ideengeber sein, als kompetente und verlässliche Partner*innen überzeugen. Da bleibt es nicht aus, dass man manchmal auch den Finger in eine Wunde legen muss. Unser derzeitiges Schulsystem steht vor der Herausforderung, mit der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung und den damit verbundenen Anforderungen an künftige Fachkräfte, schritthalten zu müssen. Hier ist es nicht immer nur angenehm, die Defizite im Schulsystem anzusprechen oder neue Ideen voranzutreiben.

Und natürlich wollen wir auch (Mit)Gestalter sein. So können wir, mit aller Bescheidenheit, auch darauf verweisen, dass das Profil-AC, das in diesem Projekt in ganz Sachsen zum Einsatz kommt, unter der Mitwirkung des CJD entwickelt wurde.

Auf welche Herausforderungen stößt Du in Deinem Arbeitsalltag?

Unser Schulsystem ist sehr straff durchorganisiert, strukturiert und klar abrechenbar, wenn es um Schulstoff geht. Ein Mensch ist aber mehr als nur der Durchschnitt seiner Schulnoten. Er hat Fähigkeiten, die im Schulkontext vielleicht gar nicht zu Tage treten. Er hat Träume und kann vielleicht Situationen lösen, die im Schulalltag gar keine Rolle spielen. So brauchen wir zum Beispiel mehr bereichsübergreifendes, ganz lebensnahes Lernen. Aber auch Lehrer*innen, die bereit sind über die bekannten Grenzen hinaus zu denken und die eigene Komfortzone zu verlassen. Nämlich besonders dann, wenn es darum geht neue Unterrichtskonzepte zu entwerfen und umzusetzen.

Außerdem sind institutionelle Anforderungen und manchmal sogar unsinnige Vorschriften umzusetzen, die mit gesundem Menschenverstand nicht immer nachvollziehbar sind. So hatte ich zum Beispiel den Fall, dass sich ein Jugendlicher für einen konkreten Beruf interessierte und sich bei einem Unternehmen im regionalen Umfeld für ein Betriebspraktikum bewerben wollte. Als ich mit ihm gemeinsam bei der zuständigen Kammer anrief, um potenzielle Unternehmen aus dem Einzugsgebiet zu erfragen, bekam ich zur Antwort „Das können wir Ihnen aus Datenschutzgründen leider nicht sagen.“. Solche Momente sind zum Haare raufen, weil ja jedes Unternehmen froh ist, wenn es gefunden wird. Herausforderungen machen das Leben aber interessant, also auch das Berufsleben.

Warum hast Du Dich für das CJD als Arbeitgeber entschieden?

Das ist ebenfalls sehr schnell beantwortet. Weil ich nach meinem Vorstellungsgespräch und einer Einführungsveranstaltung zum ersten Mal in meiner beruflichen Laufbahn das Gefühl hatte, wirklich angekommen zu sein. Es geht hier nicht um schneller, höher, weiter. Natürlich weiß ich, dass man am Ende des Tages auch wirtschaftlich bleiben muss. Das CJD wagt aber auch mal Projekte, die so kein anderer Bildungs- oder Sozialdienstleister wagen würde – einfach, weil es den gesellschaftlichen Bedarf oder die Not gibt. Das gefällt mir.